Kursbuch 180 (B00QTRY7V6) by Armin Nassehi (Hg) & Peter Felixberger (Hg)

Kursbuch 180 (B00QTRY7V6) by Armin Nassehi (Hg) & Peter Felixberger (Hg)

Autor:Armin Nassehi (Hg) & Peter Felixberger (Hg) [Nassehi, Armin & Felixberger, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: ISBN 978-3-86774-400-3 (E-Book)
Herausgeber: Murmann Verlag
veröffentlicht: 2014-12-02T05:00:00+00:00


Apokalyptisches Drehbuch

Etwas davon lässt sich bei David Koresh entdecken, der das theologische Gespräch suchte,3 um schließlich mit seiner Auslegung der Johannes-Offenbarung das apokalyptische Geschäft zu betreiben. Als er für sich eine letzte Klarheit erreicht, verselbständigt sich sein gottesbewusster Auftritt. Für alles, was geschieht, liefert die Apokalypse das Drehbuch. Der Text liefert die Kriterien, das FBI das Anschauungsmaterial. Ein rationaler Vorgang. Dennoch zeigt sich ein tödlicher Mangel in der religiösen Wissenskoordination von Koresh: die Umschmelzung seines Glaubens in eine ungebrochene Wissensgewissheit, die seine Rolle als Offenbarungsträger auf eine direkte Gottesbestätigung zurückführt. Sein religiöses Selbstbewusstsein brachte ihn, salopp gesprochen, um den Ertrag einer spezifisch theologischen Wissensbegrenzung und, nun in letztem Ernst, seine Leute ums Leben. Die angesprochene Limitierung besteht aber darin, dass sich religiöses Wissen immer mit einem Nichtwissen auflädt – was vom Unwissen des FBI markant zu unterscheiden ist. Im Buch der Offenbarung tritt es in theologischer Regie auf, wenn »der geheimnisvolle Sinn« (Offb 1,20) von Symbolen eigens entschlüsselt werden muss, vor allem aber, wenn sich das göttliche Subjekt im Text vermittelt (Offb 1,8). Es mischt sich ins johanneische Autoren-Ich ein und verlangt nach mehrfachem Report: nach der Wiedergabe der Stimme, die in Schrift übersetzt wird und so die Leser erreicht, die verstehen müssen. Dass dies auch für Koresh nicht selbstverständlich ist, verlangt ihm eine Übertragung der Apokalypse auf die laufenden Ereignisse in Waco ab, mit der sich die eigene Funktion klärt. Der minimale Abstand, den der Inspirierte zu seiner Rolle einnehmen muss, lässt sich zwar nachträglich überspielen und in ein unverzügliches Wissen um den Willen Gottes biegen. Die ursprüngliche Verzögerung offenbart indes noch im endzeitlichen Drama der Davidianer, dass Gott im Verzug bleibt – als Aufschub, der gerade dann gefährlich wird, wenn man den Eindruck hat, es bleibe keine Zeit. Das FBI löste mit seinem Angriff auch insofern den Textsinn der Johannes-Apokalypse ein.

Das offenbarungsbasierte Sonderwissen des David Koresh markiert Grundsätzliches. Sein apokalyptisches Testament, ein hinterlassener Brief mitsamt Schriftkommentar, meldet ausdrücklichen Erklärungsbedarf an. Er zielt nach außen und dokumentiert ein inneres Ringen. Nichts ist selbstverständlich, diese Offenbarung gehört auch zu Waco. Sie hat theologischen Rang, indem sie auf dramatischste Weise das religiös gehaltvolle Wissen des Nichtwissens auf die Bühne zwingt. Im grundlegenden Abstand zwischen »Gott« und jedem Zeichen, das ihn kommuniziert, entsteht ein Code theologisch einschlägiger Ausdifferenzierung, den die Johannes-Apokalypse einspielt. »Gott« bleibt im Verzug, wenn er artikuliert wird. Als Offenbarung produziert das Gotteszeichen einen Rückstau verlorener Gegenwart. Gott offenbart sich in der Bestimmung seiner Gegenwart. Jetzt. Im Zeichen »Gott«, das gesetzt wird und vorübergeht. In seiner Anwesenheit, so breite biblische Tradition, setzt sich seine Abwesenheit durch, und das wird als Offenbarung markiert. Es handelt sich um den anhaltenden Vorübergang Gottes im Akut des ausgesprochenen »Ich«, das nur seine Spur hinterlässt.

Der religiös Instruierte kann nur auf diesem Weg, also vermittelt, indirekt, von der Selbstvermittlung Gottes sprechen. Das ist im Übrigen christlich, näherhin katholisch, auch der formale Sinn der Kirche. Der wissenskritische Einschub, der sich im subjektiven Glauben an eine objektive Offenbarung Gottes meldet, indem er Vergewisserung verlangt und eine Unterscheidung der



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